Wenn Netzaktivisten und Blogger wichtige internetpolitische Themen debattieren, geschieht dies immer nur für den Kreis der Eingeweihten. Anstatt sich nur über die fehlende Wahrnehmung zu beklagen, müssen sie selbst etwas an diesem Zustand ändern.
Der folgende Gastbeitrag kommentiert die jüngsten netzpolitischen Debatten und ihre begrenzte Wirkung und blickt dabei von außen auf das Treiben der “Netzgemeinde”. Die Autorin möchte ungenannt bleiben.
Nein – ich habe noch nie gebloggt. Nein – ich bin nicht tausendfach vernetzt über Facebook, Twitter etc. Nein – ich gehöre nicht in die typische Netzgemeinde. Und trotzdem schreibe ich an dieser Stelle einen Beitrag, weil ich die Adressaten nur auf diesem – dem Blogweg – erreichen kann.
Ich gehöre zur Generation 50+, arbeite in einem Medienberuf und stehe dem Internet sehr aufgeschlossen gegenüber, weil ich es von Anfang an beruflich und privat genutzt habe, weil ich es aus meinem Leben nicht mehr wegdenken und durch das Internet mein Leben und das meiner Familie viel besser organisieren kann.
Gleichzeitig bin ich aber auch Anhängerin der gedruckten Medien, lese täglich die Print-Ausgabe einer großen Tageszeitung und sehr gern Bücher in ihrer klassischen gedruckten Form, kaufe regelmäßig neu erschienene Bücher (zusätzlich zu elektronischen Büchern) und werde auch beim nächsten Umzug sehr viele Bücherkisten packen müssen, weil Bücher einfach zu meinem Leben dazugehören.
Netzthemen sind mir durch meine beruflichen und privaten Interessen vertraut. Ich lese gelegentlich Blogbeiträge und verfolge die Internet-Nutzung und -entwicklung mit wachem Interesse, natürlich auch das Agieren der Politik in Deutschland auf diesem Gebiet. Die Vermittlung von Informationskompetenz ist mir beruflich und auch privat ein wichtiges Anliegen, sehe ich sie in unser aller Leben doch als Voraussetzung für eine positive Einstellung zum Internet, ganz besonders dort, wo die Internetnutzung bisher eher skeptisch oder voller Ängste betrachtet wird.
Angeregt durch diesen Beitrag von Sascha Lobo und die Kommentare dazu erscheint mir nun der Zeitpunkt für eine Wortmeldung gekommen. In jenem Beitrag wird am Beispiel des Leistungsschutzrechts vom Autor beklagt, wie wenig die Netzgemeinde doch erreicht hat, wie unsichtbar deren Anliegen für die “Außenwelt” bleiben und wie deprimierend es doch ist, so wenig wahrgenommen zu werden und Hoffnungen aufgeben zu müssen.
Leider scheut er jegliche Konsequenz aus dieser selbsterzeugten Niederlage. Warum? Liegt es vielleicht daran, dass er als Teil des ganzen Problems den Blick von außen verloren hat, dass er nicht mehr über den Internet-Tellerrand hinausblicken kann, weil er zu sehr involviert ist?! Mit meinen Überlegungen möchte ich übrigens nicht nur den Autor des genannten Beitrags ansprechen, sondern auch all die anderen Blogger und Netzaktivisten, die zu aktuellen Themen der Netzwelt und -politik schreiben.
Mögen die folgenden Gedanken vielleicht als Anregung für Veränderungen, zumindest als Denkanstoß von außen den Blick etwas erweitern:
Das Stigma von “Blogs”
Immer wieder erlebe ich Unverständnis bei gebildeten Menschen, denen ich zu erklären versuche, was ein Blog ist und dass das Bloggen auf ganz speziellen Fachgebieten als “richtige Arbeit” für Geld betrieben werden kann. Selbst wenn diese Menschen ab und zu einen Blogbeitrag lesen, was sie ohnehin niemals freiwillig, sondern nur auf ausdrückliche Empfehlung tun, verstehen sie es nicht – oder wollen es nicht verstehen. Kann es vielleicht ganz simpel daran liegen, dass das Wort “Blog” eher Assoziationen weckt wie Hobby, Privatvergnügen, nicht offiziell, nicht seriös? Die Liste ließe sich fortsetzen…
Die Bezeichnung Blog wird niemals mit Fachwissen oder Bildung in Zusammenhang gebracht, mag die Person, der man es erklären möchte, noch so intelligent sein. Meist erntet man eine skeptische Reaktion, gemischt aus Unverständnis und Desinteresse. Ein Blog wird, solange er sich so bezeichnet, nicht wirklich ernst genommen. Es muss dafür eine andere Bezeichnung gefunden werden.
Wenn ich einen Blog-Beitrag lese, dann bin ich oft überrascht von den interessanten Themen, von klaren, gut formulierten Gedanken, von guten, oft mit Witz oder Ironie gemixten Formulierungen, von spannenden Kommentaren, insgesamt von der oft hohen Qualität der Texte. Bei Vergleichen mit Beiträgen in Print-Produkten zu ähnlichen Themen scheint es sogar so, dass die Blogbeiträge Sachverhalte besser darstellen, weil sie von Fachleuten auf diesem Gebiet geschrieben sind. Leider wird das von vielen potentiellen Interessenten nicht wahrgenommen, weil sie die Blogs nicht lesen. Und hier setzt das Problem ein: all die guten Blogtexte, die etwas bewegen könnten und sollten, werden eigentlich nur für den Kreis der Eingeweihten geschrieben, nur von diesen gelesen und diskutiert, dringen aber nicht nach außen. Das ist sehr schade!
Neue Kanäle, um die Entscheider zu erreichen
Hier sollte die Blogger ansetzen und ernsthaft überlegen, welche Kanäle sie nutzen könnten, um die Menschen zu erreichen, die in Gesellschaft und Politik tatsächlich etwas bewegen können, um all die Kritiker zu überzeugen, dass in der Netzpolitik neue Wege zu gehen sind. Nur zu beklagen, dass man nicht ausreichend wahrgenommen wird, reicht nicht. Ziel müsste es sein, gleichwertig den “großen” Tageszeitungen oder Nachrichtensendungen wahrgenommen und akzeptiert zu werden.
Kann man sich als erfolgreicher Blogger eigentlich vorstellen, dass es Menschen gibt, die zwar prinzipiell am Thema interessiert sind, aber die einschlägigen Blogs trotzdem nicht kennen und demzufolge auch nicht lesen, weil sie einen Teil ihrer Informationen am liebsten in gedruckter Form beziehen? Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass es so ist. Vielleicht wäre hier in Ansatz: Blogbeiträge in Auswahl parallel zum Internet auch in gedruckten Publikationen zu veröffentlichen, als Beilage zu einer Tageszeitung oder als eigenständige Publikation. Damit würde man wesentlich mehr potentielle Interessenten erreichen.
Ob das überhaupt möglich ist beziehungsweise in welcher Form, sollten die Blogger diskutieren, dabei aber nicht die gedruckten Medien als “veraltet” oder “aussterbend” betrachten. Es geht nicht um eine Alternative, sondern um ein “Sowohl-als-auch”.
Mögen manchen Bloggern meine Gedanken auch etwas abwegig, altmodisch oder wenig sachkundig erscheinen – sie sollten aber zumindest ein Nachdenken, einen Blick von außen, eine Diskussionsgrundlage bieten. Tatsache ist, und im diese Erkenntnis werden die Blogger nicht herumkommen: Wenn sie so weiterarbeiten wie bisher, wird ihr Einfluss nicht größer werden und das Beklagen dieses Zustandes wird regelmäßig wieder auf der Tagesordnung stehen. Ich wünschte mir den Mut zu neuen, zunächst gedanklichen Wegen, die dann nach und nach umgesetzt werden können. Das zukünftige Ergebnis bleibt spannend.
(Foto: Flickr/re:publica 2012, CC BY 2.0)
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