Manche Politiker lassen sich nur zu leicht vor den Karren der Unternehmen spannen, die sich durch digitale Innovation bedroht sehen. Dabei ignorieren sie gern, dass die wahrgenommene Bedrohung aus dem Wissen resultiert, der Konkurrenz selbstverschuldet unterlegen zu sein. Das ist Marktwirtschaft.
An verschiedenen Punkten, wo alte und neue Wirtschaft aufeinanderprallen, brodelt es. Alteingesessene Unternehmen stören sich daran, wie neue Player in ihren Märkten die Spielregeln verändern. Manchmal rufen die Etablierten nach dem Staat, um mit Hilfe neuer Gesetze und einer künstlichen Verknappung das alte Kräfteverhältnis wiederherzustellen. Leider lassen sich einige Politiker zu leicht von den Forderungen aus den deutschen Führungsetagen beeinflussen. Die aktuelle Anti-Google-Kampagne, mit Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel als verlängerter politischer Arm der Verlagslobbyisten, zeigt das ganz gut. Zuvor hatte Springer-Chef Matthias Döpfner mit einem offenen Brief die Saat für jetzt folgende Attacken von Gabriel und anderen gegen Google gesät.
Dass die Konzerne aus dem vergangenen Jahrhundert keine anderen Wege finden, um auf die innovativen Angreifer zu reagieren, ist traurig, aber ein selten ausgehebeltes Naturgesetz der Wirtschaftsgeschichte. Zwar erscheint es verlockend, auf die Jammerei mancher Verlage zu erwidern, dass sie es schlicht verpasst haben, 1997 mit Millioneninvestments als Spin-Off eine eigene Suchmaschine zu konzipieren. Das aber zu erwarten, ist angesichts der Schwierigkeit, feste Organisations- und Denkstrukturen in altehrwürdigen Unternehmen aufzubrechen, unrealistisch. Das Innovator’s Dilemma lässt grüßen. Die Art, mit der also digitale Neulinge auf Widerstand seitens der einstigen Analogwirtschaft treffen, ist zwar unschön, aber wohl unvermeidbar. Weder schön noch unvermeidbar ist dagegen, wie sich die Politik vor den Karren derjenigen spannen lässt, die mit Vorwänden ihre Felle am Davonschwimmen hindern wollen.
Schuld daran ist neben möglichen engen persönlichen Verzahnungen und machtpolitischen Interessen meines Erachtens nach der fehlende Blick darauf, warum eigentlich die Firmen, die mit und dank des Netzes entstanden sind, den bestehenden Wirtschaftsakteuren so sehr in die Quere kommen. Die Antwort ist ganz einfach: Weil sie besser sind. Weil Bürger beziehungsweise Konsumenten mit ihrer Hilfe Bedürfnisse besser befriedigen können.
Beispiel Uber, Lyft & Co: Die von der Taxibranche verabscheuten On-Demand-Transportdienste haben in ihrer Heimatstadt San Francisco ein massives Problem gelöst: Taxis waren nie da, wenn Fahrgäste sie brauchten, und der öffentliche Personennahverkehr der Stadt ist ohnehin kaum der Rede wert. Da der Fortschritt weder von den Taxifirmen noch von der Stadt vorangetrieben wurde, nahmen sich dann eben Startups der Sache an. In Deutschland wiederum war es myTaxi, das dem eingerosteten Beförderungsgewerbe zeigen musste, wie man Kunden bessere Leistung liefert. Der Widerstand des Establishments gegen den Smartphone-Taxi-Vermittler war lange Zeit groß. Der alten Garde war bis dato weitgehend egal, ob Fahrgäste sonderlich zufrieden waren oder nicht. Wer ein Taxi benötigte, hatte keine Alternative.
Beispiel Google: Das Unternehmen hat sich deshalb so prächtig entwickelt, weil es mit der Suchwortvermarktung ein Geschäftsmodell erfand, das Werbenden eine deutlich gezieltere Ansprache von Kunden erlaubt. Mit weniger Mitteln ließen sich mehr Menschen in der anvisierten Zielgruppe erreichen. Mit dem Aufkommen effizienterer Verfahren, um Kunden anzusprechen, verringert sich die Attraktivität anderer Werbeträger. Wie Zeitungen. Gleichzeitig befriedigte Google den großen Wunsch der Menschen nach einem ungehinderten Zugang zu aktuellen Informationen, nicht zu denen vom Vortag. 94 Prozent Marktanteil in Deutschland ist nicht die Folge eines Google-Zwangs (der nicht existiert), sondern freie Wahl der Nutzer auf Basis einer persönlichen Leistungseinschätzung.
Von den Machern in den Führungsetagen der betroffenen Firmen zu erwarten, dass sie die im Zuge der Marktveränderungen mitschwingenden Wünsche der Verbraucher nach besseren Dienstleistungen und einer verstärkten Berücksichtigung ihrer Bedürfnisse hören und ihrerseits in die Tat umsetzen, mag angesichts der oben beschriebenen Problematik zu viel verlangt sein. Auch wenn es natürlich für die etablierten Verlage peinlich ist, dass sich mit Heftig.co vor ihren Augen und abermals (mutmaßlich) ohne ihre Partizipation ein viraler Medienerfolg ereignet – noch dazu ohne dass das angeblich alle Medien von sich abhängig machende Google bei dem Aufstieg groß mithelfen muss.
Doch von der Politik erwarte ich, dass sie sich nicht nur vom Krächzen der Unternehmen leiten lässt, sondern auch berücksichtigt, warum diese sich bedroht fühlen. Wenn Konsumenten einmal erkannt haben, dass ihnen Besseres geboten werden kann, als was ihnen zuvor vorgesetzt wurde, ist es falsch, mittels politischer Intervention die Uhren zurückdrehen zu wollen. Wer Kaviar probiert und für gut befunden hat, will nicht mehr zurück zu Pommes aus der Gefriertruhe. Auch wenn die Pommes-Hersteller viele Vorwände dafür finden, um zu argumentieren, dass dies besser wäre. /mw
(Illustration: Kevin and hi inferiority complex cartoon, Shutterstock)
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